Eines der im anwaltlichen Berufsalltag bedeutendsten zivilrechtlichen Merkmale ist der Verzug, im Sinne der Verzögerung einer fälligen Leistung.
Von Bedeutung ist die Frage nach einem möglichen Verzug vor allem, weil damit weitere, den Verzug voraussetzende, Fragen, wie Haftungsverschärfungen und Schadensersatzpflichten, verbunden sind.
Es ist daher nicht schwer nachzuvollziehen, dass in Rechtsstreitigkeiten regelmäßig darüber gestritten wird, ob überhaupt ein Verzug vorliegt oder nicht.
Den Verzug des Schuldners regelt u. a. der § 286 BGB. Im Speziellen heißt es dort in Abs. 3:
„Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist.“
Und weiter:
„Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.“
Diese notwendige nationale Umsetzung der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr führt zu absurden Ergebnissen, da der Schuldner bei einer drei Monate vor Fälligkeit erteilten Rechnung zwei Monate vor Fälligkeit in Verzug gerät, ohne zu wissen mit welcher konkreten Leistung er sich überhaupt in Verzug befindet. Ist bspw. die Lieferung am 02.05. erfolgt und ist zwischen den Parteien strittig, ob die Rechnung am 10. oder am 15.07 zugegangen ist, tritt der Verzug nach § 286 Abs. 3 S. 2 BGB bereits am 02.06. ein, also mehr als einen Monat vor Zugang der Rechnung…
Der clevere Schuldner wird daher den vom Gläubiger behaupteten Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung zwangsläufig nicht bestreiten, um für sich nachteilige Ergebnisse zu vermeiden. Die halbherzige Lösung der Rechtsprechung ist, die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass die 30-Tage-Frist nicht vor dem vom Gläubiger behaupteten Datum des Zugangs der Rechnung beginnt.